Second Chance
- annamelinadietz
- 3. Juni 2019
- 5 Min. Lesezeit

Meinen letzten Eintrag zu meinen Aufgabenbereichen möchte ich über unsere Gefängnisarbeit schreiben.
CFAI fährt jede Woche Donnerstag für zwei Stunden in das Jugendgefängnis "Second Chance" hier in Cebu City.
Das Jugendgefängnis ist ein Gefängnis, mit dem Ziel, die Jugendlichen während ihrer Arrestzeit auf das Leben nach dem Gefängnisaufenthalt vorzubereiten und sie dazu bewegen, ein gutes Leben aufzubauen -ohne Kriminalität.
Der Name "Second Chance" sagt schon alles, die Mitarbeiter wollen, dass die Insassen nach ihrer Arrestzeit eine zweite Chance im Leben bekommen. Die Insassen sind alle circa zwischen 15 und 20 Jahre alt. Sie sind so jung und haben so viel von ihrem Leben noch vor sich.
Trotzdem ist es für die Insassen nicht leicht, nach dem Einsitzen ihrer Strafe wieder in ihr normales Leben zurück zu kommen. Oft waren sie sogar bis zu sechs Jahre oder länger weg, ohne Kontakt zu ihrer Familie oder ihren Freunden zu haben.
Es kommt auch vor, dass Insassen, die ihre Strafe abgesessen haben, nach einigen Wochen wieder ins Gefängnis zurück gebracht werden. Entweder, weil sie erneut bei einer Straftat erwischt wurden oder weil sie sich bei etwas extra erwischt haben lassen. Dies tun sie, weil sie im Gefängnis mit mehreren Gleichaltrigen zusammen leben und sich Freundschaften gebildet haben. Außerdem haben sie ein Dach über dem Kopf und bekommen jeden Tag drei warme Mahlzeiten. Viele von ihnen erleben so etwas außerhalb des Gefängnisses, in ihrem zu Hause, nicht. Es kann auch sein, dass sich die Beziehungen zu ihren Freunden/ Verwandten in der Zeit, in der sie im Gefängnis waren, sehr verändert hat oder sogar manche Beziehungen in die Brüche gegangen sind.
Auch ich habe in meiner Zeit, in der ich im Gefängnis mitarbeite, mitbekommen, dass die Schwester einer Insassin sich bei einer Straftat hat erwischen lassen, um wieder im Gefängnis sein zu können.
Man kann sich kaum vorstellen, dass manche Menschen das Leben in einem Gefängnis ihrem normalen Alltag, ihrem zu Hause und ihrer Familie vorziehen.

Im Second Chance gibt es eine Jungs- und eine Mädchenabteilung. Die Jungs sind in mehreren Zellen mit circa vier bis sieben Leuten untergebracht. Die Mädchen haben mit circa 15 Leuten eine Sammelzelle, in der sie auf Matratzen auf dem Boden schlafen.
Unser Team teilt sich im Gefängnis in zwei Gruppen auf, das erste Team geht zu den männlichen Insassen und das zweite Team zu den weiblichen. Ich bin immer bei den Mädels dabei, deswegen kann ich nur von dem Programm für die weiblichen Insassinnen berichten.

Das Programm läuft immer ähnlich ab. Am Anfang machen wir mit den Mädels einen "Ice- Breaker". Wir spielen zwei Spiele oder singen und tanzen zu einem Lied, um die Mädchen wach zu machen und zum Lachen zu bringen. Danach gibt es von einer Mitarbeiterin eine kurze Andacht über verschiedene Themen. Oft wird über Sünde geredet und dass Gott ein guter Gott ist, der vergibt und für den es keine Sünde gibt, die zu groß ist. Wir versuchen den Insassinnen jedes Mal eine positive Botschaft zu erzählen, die Ihnen Hoffnung bringt.
Nach der Andacht machen wir immer etwas kreatives mit Ihnen. Entweder basteln oder malen wir mit ihnen, bauen etwas aus der Andacht nach, zum Beispiel wenn es um eine Bibelgeschichte ging. Oder wir testen ihr Wissen, indem wir ein Quiz spielerisch gestalten. Oft lernen wir auch Bibelverse mit Ihnen auswendig oder sie können ein kurzes Drama, welches sie sich selbst ausdenken sollen und welches zu der Andacht passt, vorstellen.
Nach dem kreativen Teil, wenn noch etwas Zeit übrig ist, kommen wir mit den Mädchen ins Gespräch. Wir hören ihnen zu, geben ihnen Mut und/oder beten für sie. An Tagen, an denen die Mädchen gut drauf sind, spielen wir auch nochmal ein Spiel mit ihnen oder singen ein Lied und machen dazu Bewegungen.
Die Mädchen sind mir in den letzten Wochen sehr ans Herz gewachsen. Sie waren am Anfang eher kalt zu mir und ich dachte immer, sie mögen mich nicht oder wollen nicht, dass ich da bin. Doch mit der Zeit wurden sie immer offener und herzlicher zu mir. Ich habe sie echt in mein Herz geschlossen. Sie haben sich mehr für mich interessiert und sogar ein paar Wörter auf deutsch gelernt, wie zum Beispiel "Ich liebe dich", "Du bist schön" oder "Ich vermisse dich", welche sie dann auch immer zu uns gesagt haben.
In meinem nächsten Eintrag wird es um das Sommer Go- Camp 2019 von Christ For Asia gehen. Dort waren wir auch in unserem Outreach im Second Chance- Gefängnis. Vor dem Camp haben wir die Mädels lange nicht gesehen, da wir viele Vorbereitungen und Meetings für das Camp hatten. Als wir bei unserem Outreach im Second Chance ankamen, haben sie sich total gefreut, uns umarmt und gesagt, wie sehr sie uns vermisst haben. Während den Vorstellungen (worüber ich in meinem nächsten Eintrag noch viel mehr berichten werde) haben sie unsere Hände gehalten, die Arme um unsere Schultern gelegt und wollten, dass wir die ganze Zeit bei ihnen bleiben. Das war so schön zu sehen, da sie uns gezeigt haben, dass sie uns wirklich gern haben, wir Ihnen wichtig sind und sie uns und unsere Arbeit schätzen.
Ich freue mich auf die nächsten Wochen, um noch mehr Zeit mit ihnen verbringen zu können und noch mehr aus ihrem Leben zu erfahren.

Am Schluss noch etwas zum Nachdenken: Ich wurde vor Kurzem gefragt, ob ich freiwillig mit einer Insassin/ einem Insassen tauschen würde, sodass sie/er frei sein kann. Ich habe lange darüber nachgedacht. Ich konnte aber irgendwie nicht direkt darauf eine Antwort finden. Wir Interns haben uns darüber unterhalten, doch unsere Antworten darauf waren nur so etwas, wie: "Naja, es kommt darauf an, wie das Gefängnis ist", "Ich würde es für eine gewisse Zeit machen, aber nur wenn es nicht so lange ist" oder "Wenn ich das machen würde, hätte ich ja gar keinen Kontakt mehr zu meiner Familie oder meinen Freunden."
Aber ist nicht genau das, das was Jesus für uns getan hat?
Er ist für uns "ins Gefängnis gegangen", obwohl er keine Straftat begangen hat. Er hat unseren Platz eingenommen, unsere Straftaten/ Sünden auf sich genommen und für uns am Kreuz gelitten, sodass wir frei sein können.
Jesus hat keine einzige Sünde begangen, er war rein. Er hätte nicht für seine Sünden sterben müssen, da er keine Sünde in sich trug. Und doch hat er alle Sünden der Menschen, die an ihn glauben, auf sich genommen und für uns so sehr gelitten.
Er hat nicht gesagt: "Naja, es kommt darauf an, wie groß die Sünde ist" oder "Für manche Menschen mache ich es, aber nicht für jeden". Nein! Jesus hat für ALLE Menschen am Kreuz gelitten.
Und auch wenn es nur Dich gäbe, wenn du der einzige Mensch auf der Welt wärst, der gesündigt hat -Jesus würde für dich- nur dich -ans Kreuz gehen und für deine Sünden bezahlen. Er möchte deinen Platz einnehmen. Er möchte deine Arrestzeit absitzen und für deine Straftaten gerade stehen.
Die Frage ist nur: Bist du bereit, dieses Geschenk anzunehmen?
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